CTH2619 – Der Mann, der niemals lebte

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Der Mann, der niemals lebte
Rebecca Broberg singt Lieder von Erich J. Wolff (1874-1913)

Das Standardlexikon der deutschen Musikwissenschaft heißt Die Musik in Geschichte und Gegenwart, kurz MGG. Wer darin nicht vorkommt, der existiert nicht. Zumindest nicht als Musiker.
Der österreichische Komponist Erich (Jacques) Wolff hat keinen Eintrag im MGG, deshalb hat es ihn auch nie gegeben. Das ist jetzt natürlich ein Scherz, aber einer mit einem Quentchen Wahrheit. Erich Wolff hat nicht nur gelebt, es hat sogar eine Zeit gegeben, da war er im Ausland bekannter als seine Wiener Kollegen Alexander von Zemlinsky und Arnold Schönberg, mit denen er befreundet gewesen ist.
Aber nach seinem frühen Tod in den USA, wo er auf einer Konzertreise an einer verunglückten Ohrenoperation starb, geriet Wolff in Europa rasch in Vergessenheit. In den USA, wo sich bekannte Sänger wie die holländische Sopranistin Julia Culp und die Met-Primadonna Florence Easton für ihn einsetzen, blieben seine Lieder bis nach dem Zweiten Weltkrieg im Repertoire, bis sie auch da nach und nach vergessen wurden.
Wolff wurde am 3.12.1874 in Wien geboren, ist also gleich alt wie Arnold Schönberg und gehört zur Generation von Ravel, Rachmaninow und Skrjabin, aber auch zu der von Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt und Rilke.
Er hat in Wien am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde studiert, Klavier beim Czerny-Schüler Anton Door und Komposition bei Robert Fuchs, dem wegen seiner klangschönen Orchesterserenaden so genannten „Serenaden-Fuchs“, der bereits Gustav Mahler das Handwerk beigebracht hatte, aber auch Zemlinsky, Schreker, Sibelius und noch Erich Wolfgang Korngold und Robert Stolz unterrichten sollte.
Anders als Zemlinsky und natürlich Schönberg ist Wolff kein Neuerer. In Melodik und Harmonik ist er zwar durchaus spätromantisch, geht aber über die Harmonik von Wagners Tristan nicht hinaus. Wolffs Violinkonzert klingt wie eine Mischung aus Frederick Delius und Georges Debussy.

Von der Musiksprache in seinen Liedern her lässt sich Wolff am besten mit Richard Strauss vergleichen, mit dem er – ganz anders als sein Fast-Namenskollege Hugo Wolf – auch eine gewisse Schwäche für zweitklassige Dichter à la Bierbaum und Flaischlen teilt.
Erich J. Wolff hat über 150 Lieder, eine Reihe virtuoser Klavierstücke, ein Streichquartett, ein melancholisches und melodieschönes Violinkonzert und mehrere Werke für die Musikbühne geschrieben, aber das Klavierlied ist seine eigentliche Domäne. Hier erweist er sich als ein sensibler Melodiker, der Stimmung und Gehalt eines Gedichtes mit wenigen Akkorden treffsicher einfängt, dabei metrische Einheiten gerne Silbe für Silbe mitkomponiert und den Sinn des Gedichtes in einem dichten und oft hochvirtuosen Klaviersatz ausdeutet.

Wolff muss, wie sein Klavierwerk und der Pianopart seiner Lieder demonstrieren, ein ausgezeichneter Pianist gewesen sein. Engelbert Humperdinck schreibt in seinen Erinnerungen, dass Wolff einer der besten Liedbegleiter seiner Generation gewesen sei, der sich durch Poesie und feinstes Eingehen auf die von ihm begleiteten Sängerinnen auszeichnete.

Die vorliegende CD besitzt hohen Repertoirewert, weil sämtliche Lieder zum ersten Mal auf Tonträger eingespielt wurden. Die Sängerin und der Musikwissenschaftler Peter P. Pachl haben in deutschen und amerikanischen Archiven und im Nachlass von Sängern und Verlegern mit detektivischem Spürsinn nach bislang unentdeckten Manuskripten geforscht und Licht in das Dunkel eines längst vergangenen, nichtsdestoweniger höchst interessanten Musikerlebens gebracht. Die Sopranistin Rebecca Broberg und der Pianist Rainer Klaas sind mit hohem Können und hörbarer Freude bei diesen anspruchsvollen, ebenso dramatischen wie tonschönen Liedern bei der Sache und brauchen sich hinter viel bekannteren Namen überhaupt nicht zu verstecken.

Bestellnummer: CTH2619

Bisher bei THOROFON erschienene CDs mit dem Komponisten Erich J. Wolff:
CTH2585 Zauberdunkel und Lichtazur
CTH2586 Ein solcher ist mein Freund
CTH2609/2 Love Novels